Rückblick
Projekte 2023
Nebst dem Ausbau klassischer Angebote fördert die Triaplus Projekte, die bei der Prävention und niederschwelliger
Unterstützung ansetzen.
Nebst dem Ausbau klassischer Angebote fördert die Triaplus Projekte, die bei der Prävention und niederschwelliger
Unterstützung ansetzen.
Wer bereits einen Suizidversuch hinter sich hat, bei dem steigt die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Versuchs. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene und ihr Umfeld professionell unterstützt werden. Hier setzt die Kurztherapie AdoASSIP an. Sie ist eine auf das Jugendalter adaptierte Version von ASSIP (Attempted Suicide Short Invervention Program), die in der Erwachsenenpsychiatrie seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird.
Das Programm zielt darauf ab, Suizidversuche aufzuarbeiten und künftige zu verhindern. Als Ergänzung zu einer Psychotherapie umfasst es ein Vorgespräch und vier Therapiesitzungen. In den folgenden zwei Jahren werden die Jugendlichen alle drei Monate nach ihrem Befinden gefragt und an ihren individuell erarbeiteten Notfallplan erinnert.
Isabelle Bachmann, seit eineinhalb Jahren leitest du das Programm AdoASSIP in der Triaplus. Wie viele Jugendliche konnten bereits therapiert werden?
Bis jetzt haben zehn Patientinnen und Patienten AdoASSIP erfolgreich absolviert. Es gab jedoch etwa gleich viele Jugendliche, die nur das Vorgespräch wahrgenommen haben. Teilweise waren diese Jugendlichen nicht stabil genug oder erfüllten die Kriterien für eine Teilnahme nicht. Der Zeitpunkt für die Programmteilnahme war für sie noch nicht stimmig oder sie fanden den Aufwand zu gross.
Das Programm wurde ursprünglich für Erwachsene entwickelt. Was ist bei AdoASSIP für Jugendliche anders?
Bei Jugendlichen werden die Eltern oder alternativ die nächsten Bezugspersonen vielmehr in den Prozess einbezogen. Als gesetzliche Vertretung müssen sie die Einwilligung zur Teilnahme am Programm erteilen. Da sie die Verantwortung für die Jugendlichen tragen, ist eine umfassende Information und Aufklärung des Programms und des erarbeiteten Notfallplanes unumgänglich. Meines Erachtens hat das Erarbeiten von mittel- und langfristigen Zielen im Jugendalter – wenn wichtige Entscheidungsprozesse und Veränderungen wie Berufswahl oder Identitätsausbildung anstehen – einen nochmals gewichtigeren Stellenwert als bei Erwachsenen.
Viele Betroffene von Suizidversuchen sind oder waren schon in einer Therapie. Warum braucht es eine spezialisierte Therapie wie AdoASSIP?
Im Rahmen von Traumata zeigt sich, dass diese häufig ganz gezielt in einer Traumatherapie angegangen werden müssen. Bei einem Suizidversuch kann man auch von einem erlebten Trauma sprechen. In der Psychotherapie, wo in aller Regel der Patient die bearbeiteten Therapieinhalte selbst festlegt, zeigt sich immer wieder eine Ausweichtendenz. Im Rahmen von AdoASSIP, wo der Suizidversuch als klar umschriebener Inhalt vorgegeben ist und keine anderen Themen besprochen werden, erfolgt zwangsläufig eine Auseinandersetzung damit. Positiv erachte ich die festgelegte Anzahl an Sitzungen. So wird es für die Jugendlichen überschaubar, auf was sie sich einlassen und das Thema findet auch einen sauberen Abschluss.
Welche Reaktionen erlebt ihr bei den Betroffenen und ihren Bezugspersonen? Wie ist das Feedback zum Programm?
Bisher haben wir sehr positives Feedback der Teilnehmenden erhalten. Sie empfinden die intensive, aber durch die festgelegte Anzahl an Terminen zugleich begrenzte Auseinandersetzung mit dem Thema als passend. Besonders die Familiensitzungen zum Schluss des Programms beeindrucken mich immer wieder. Eltern werden beim Thema Suizidalität des eigenen Kindes mit starken Gefühlen der Angst und Trauer, teilweise auch Wut, konfrontiert. Häufig werden Stärken und Vorlieben aus der Kindheit der Jugendlichen thematisiert. Dies ist für alle, besonders die Jugendlichen selbst, sehr berührend. Die Familiensitzung hat eine für die Familie befreiende Wirkung. Ziel ist es, das verlorene Vertrauen der Eltern in die Jugendlichen wieder zu stärken oder zumindest eine Basis dafür zu schaffen, was bisher gut gelungen ist.
In der Triaplus wird AdoASSIP für die Kantone Schwyz und Uri am Standort Lachen angeboten. Ihr seid zwei Therapeutinnen. Plant ihr einen Ausbau des Angebots?
Ja. Momentan versuchen wir in Uri oder allenfalls in Goldau eine weitere Mitarbeiterin zu rekrutieren, damit das Programm für die Bewohner in Uri und Innerschwyz einfacher zugänglich und bei den Teams vor Ort noch besser präsent ist. Die Auseinandersetzung mit Suizid ist schwere Kost. Deshalb brauchen wir gut ausgebildete Therapeuten, die sich diese Arbeit auch längerfristig vorstellen können. Zusätzlich sind unsere Wartelisten immer noch sehr lang und die Kolleginnen und Kollegen dementsprechend ausgelastet. Diese Faktoren erschweren die Rekrutierung. Die bisherige Zusammenarbeit für das Programm funktioniert dank der fixierten Abläufe aber sehr gut.
Für Menschen, die in kurzer Zeit wiederkehrende Klinikaufenthalte benötigen, reichen die "klassischen" ambulanten oder stationäre Behandlungsformen meist nicht aus. Sie haben oft komplexe Problembereiche im Alltag, die nach einer Klinikentlassung erneute Krisen begünstigen können. Für ihre Situation braucht es ein intensiveres und flexibleres Angebot als eine übliche ambulante Therapie, das zugleich alltagsnäher ist als stationär. Um diese Versorgungslücke zu schliessen, wurde das Projekt INTUK (Integrierte Unterstützung nach wiederholten Klinikaufenthalten) initiiert.
In der Klinik Zugersee bietet ein multiprofessionelles Team, bestehend aus Medizin, Pflege, Sozialdienst und Peers, eine speziell auf die Bedürfnisse dieser Menschen abgestimmte Unterstützung an. Bereits während des Klinikaufenthaltes finden erste Kontaktaufnahmen durch das INTUK-Team statt. Nach der Entlassung führt das gleiche Team die Unterstützung fort und koordiniert die ambulante Behandlung im häuslichen Umfeld. So wird die Behandlungsqualität aufrechterhalten.
Aufgrund der individuellen Betreuung fallen die Behandlungen ganz unterschiedlich aus. Auch die Dauer und Intensität der Interventionen variiert je nach Person stark. In den meisten Fällen liegt ein Fokus aber auf sozialen Belangen wie Abklärung von Unterstützungsmöglichkeiten, Hilfe bei Antragserstellungen, Begleitung bei Behördengängen, Mediation bei Konflikten oder auch Hilfe bei der Wohnungssuche. Für viele Betroffene spielt das Problem einer fehlenden Tagesstruktur eine grosse Rolle. Hier kann durch Information über bisher ungenutzte Angebote, wie zum Beispiel Tagesstätten, Selbsthilfegruppen oder öffentliche Bildungseinrichtungen, und eine anfängliche Begleitung zu diesen geholfen werden. Manche sind nach einem stationären Aufenthalt auf eine zeitnah beginnende ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung angewiesen, die im Rahmen der bestehenden Versorgungsangebote nicht immer möglich ist. INTUK kann hier Überbrückungslösungen anbieten.
INTUK wird erwachsenen Patientinnen und Patienten angeboten, die innert zwei Jahren mindestens vier stationäre Behandlungen in der Klinik Zugersee hinter sich haben. Im ersten Projektjahr haben etwa zwei Drittel dieser Personen das Angebot angenommen. Die meisten reagieren positiv und zeigen sich erleichtert über dieses niederschwellige Angebot. Selbst unter jenen, die eine Teilnahme anfangs ablehnen, möchten später einige ins Programm aufgenommen werden. Inzwischen wurden mehr als 70 Patientinnen und Patienten vom INTUK-Team behandelt oder befinden sich aktuell im Programm.
Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet, was dem Chefarzt der Klinik Zugersee, Michael Rufer, besonders wichtig ist: «Hierdurch wird eine fundierte Aussage darüber möglich sein, ob sich dieses Angebot bewährt hat und eine Fortsetzung empfehlenswert ist. Es wäre wünschenswert, wenn dann auch eine nachhaltige Finanzierung erreicht werden kann. Aktuell können solche intermediären Angebote im Rahmen der regulären Abrechnungsmöglichkeiten leider nicht ausreichend finanziert werden.»
Schon seit Längerem kommen regelmässig internistische Konsiliarärzte in die Klinik Zugersee, um somatische Probleme bei psychiatrischen Patienten abzuklären. Umgekehrt fand die Abklärung psychischer Probleme bei somatischen Patienten bisher nur fallweise durch die APP Zug in Baar statt. Aufgrund der hohen Relevanz psychischer Beschwerden bei somatischen Patienten und um die Zusammenarbeit zwischen der Klinik Zugersee und dem Zuger Kantonsspital zu vertiefen, besprachen Michael Rufer, Chefarzt Klinik Zugersee, und Michael Bodmer, Chefarzt Medizinische Klinik, die Möglichkeit einer fixen Stelle eines Konsiliarpsychiaters im Kantonsspital.
Seit September 2023 arbeitet nun ein Oberarzt der Klinik Zugersee jede Woche an zweieinhalb Tagen im Kantonsspital Zug. Dort macht er psychiatrische Abklärungen bei Patientinnen und Patienten sämtlicher Abteilungen und bietet bei Bedarf eine ambulante Weiterbehandlung vor Ort an. Diese psychiatrisch-psychotherapeutische Mitbehandlung bei somatischen Erkrankungen kann viel zu einer optimalen medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten beitragen, erklärt Oberarzt Holger Sawert: «Viele Menschen entwickeln emotionale Belastungsreaktionen auf körperliche Erkrankungen oder Unfälle, die ihre Lebensqualität zusätzlich einschränken. Auch umgekehrt können körperliche Reaktionen auf psychische Belastungen erfolgen und eine enge Zusammenarbeit von Psychiatrie und Somatik erforderlich machen. Manchmal benötigen auch Angehörige von Schwerkranken Entlastung in Form einer vorübergehend psychiatrischen Unterstützung.»
Häufig beantwortet der Psychiater Fragen zur medikamentösen Behandlung deliranter Symptome, etwa im Rahmen von Infektionen, nach operativen Eingriffen und während der Intensivbehandlung. Ähnliche Fragen stellen sich zu behandlungsbedürftigen Entzugssymptomen bei Suchterkrankungen. In der Notaufnahme ist die Abklärung akuter Suizidalität ein wichtiger Aspekt, was manchmal eine Zuweisung zur stationären Weiterbehandlung in der Klinik Zugersee notwendig macht.
Wie im Vorfeld erwartet wurde, ist der Bedarf nach dem neuen Angebot hoch. Seit Beginn wurden über 100 Patientinnen und Patienten konsiliarisch abgeklärt. Mehr als die Hälfte nutzte die Möglichkeit einer ambulanten Weiterbehandlung durch Oberarzt Sawert, was dieser sehr begrüsst: «Dass ich Patientinnen und Patienten, mit denen ich stationär ein Erstgespräch hatte, direkt im Kantonsspital eine ambulante Sprechstunde anbieten kann, finde ich besonders wertvoll. Die Psychotherapie richtet sich jeweils individuell nach ihren Bedürfnissen. Meist finden Konsultationen alle ein bis zwei Wochen statt.»