Nach über 20 Jahren Tätigkeit an universitären Kliniken, die letzten 17 Jahre davon in Zürich, wollte ich mich stärker auf das fokussieren, was ich immer als Kern meiner vielfältigen Aufgaben empfunden habe: Die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die Weiterentwicklung von psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsangeboten und das Führen von interprofessionellen Teams. In Bezug auf meinen universitären Kontext war diese berufliche Veränderung eine bewusste Entscheidung, um die über Jahre initiierten und mitgestalteten Innovationen zukünftig vermehrt in die klinische Versorgung einbringen zu können. Ein wichtiger Aspekt bei meiner Bewerbung war auch die Möglichkeit, Teil der Geschäftsleitung zu werden, und mich auf diese Weise für zukünftige Entwicklungen einer modernen Institution einsetzen zu können.
Ich habe richtig viel erlebt, weit mehr als ich hier berichten kann. Wenn ich versuche, etwas davon herauszustellen, dann sind es die vielen spannenden und überwiegend positiven und beflügelnden Begegnungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich fühlte mich vom ersten Tag an willkommen und positiv aufgenommen. Mir wurde viel Vertrauen entgegengebracht, obwohl ich ja als "Neuer" in die Teams kam. Das finde ich alles andere als selbstverständlich und bin sehr dankbar dafür. Nach meinem Empfinden war das die Basis dafür, dass auch vieles andere in den ersten Monaten erfreulich verlief. Mein Einarbeiten in die vielen verschiedenen Aufgaben und Abläufe, das Treffen erster Entscheidungen bei auftretenden Problemen und erste Weichenstellungen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen. Auch meine Besuche bei externen Partnern gehören hierzu und die Verknüpfung meiner bisherigen Kontakte mit den neuen Netzwerken der Triaplus. Als Beispiel sei hier nur das Stichwort Lehrspital genannt, zu welchem es in diesem Jahresbericht einen separaten Beitrag gibt. Selbstverständlich gab es auch schwierige, im wahrsten Sinne des Wortes herausfordernde Situationen. Zu nennen sind hier sicherlich die Pandemie und der Personalmangel. Zugegeben, insgesamt hatte mir eine etwas ruhigere erste Zeit vorgeschwebt. Im Nachhinein war das so wie es lief aber gar nicht schlecht – auf diese Weise war ich schnell "mittendrin" und lernte verschiedenste Personen und Gruppen mit ihren jeweiligen Arbeits- und Sichtweisen auch in speziellen Situationen kennen.
Generell gesagt ist der grosse Vorteil dieser unterschiedlichen Angebotsstrukturen "unter einem Dach" der Triaplus, dass der behandlungsbedürftigen Person ein auf sie zugeschnittenes Angebot gemacht werden kann. Konkret wird vielleicht bei einer Patientin, bei der eine ambulante Behandlung nicht ausreicht, ein stationärer Aufenthalt vermieden, wenn eine tagesklinische Behandlung angeboten werden kann. Ober bei einem anderen Patienten kann im Nachgang zu seinem Aufenthalt in der Klinik eine ambulante Behandlung in Wohnortsnähe angeboten werden. Dadurch, dass diese unterschiedlichen Behandlungsformen zur Triaplus gehören, lassen sie sich gut koordinieren und aufeinander abstimmen. Soweit so gut. Es gibt aber auch einige Schwierigkeiten hierbei. Zum einen sind sowohl unsere ambulanten als auch stationären Angebote zum Teil stark ausgelastet, was kurzfristige Wechsel von Patientinnen und Patienten zwischen den Angeboten zu einer echten Herausforderung machen können. Zum anderen gehören zu einem modernen integrierten Angebot weit mehr von sogenannten "intermediären" Angebotsstrukturen. Das sind beispielsweise gut ausgebaute aufsuchende Angebote zur Unterstützung psychisch erkrankter Personen, bei denen diese in ihrem häuslichen Umfeld von Fachpersonen behandelt werden. Dies hat bei der Triaplus mit dem innovativen Amnesia-Projekt begonnen und es wäre wünschenswert, solche aufsuchenden Angebote auszubauen. Andere Beispiele sind ambulante Kriseninterventionszentren, Akut-Tageskliniken und interdisziplinäre Notfallangebote zusammen mit den Spitälern, beispielsweise auch mit somatisch-psychiatrischen Betten im Spital, um bestimmte Patientinnen und Patienten kurzzeitig dort behandeln zu können, statt sie in die Klinik Zugersee einzuweisen. Es gäbe noch sehr viel mehr Möglichkeiten. Viele scheitern bisher leider an der unzureichenden Finanzierung. Aber ich bin überzeugt davon, dass sich die Psychiatrie in diese Richtung entwickeln wird und dass es möglich ist, dafür neue Finanzierungsmodelle zu entwickeln.
Hm, da gibt es viele. Um nur eines zu nennen: Aktuell läuft die Re-Evaluation der Klinik Zugersee als Weiterbildungsstätte für Psychiatrie und Psychotherapie. Wir sind seit einigen Wochen mit den Vorbereitungen beschäftigt und Mitte Mai findet die Visitation durch ein externes Expertenteam statt. Es ist natürlich sehr wichtig, dass unsere Anerkennung als Weiterbildungsstätte Kategorie A bestätigt wird. Zugleich möchte ich diese Evaluation aber auch nutzen, um das Weiterbildungsangebot der Klinik weiterzuentwickeln. Beginnen können wir hier schon vor der Weiterbildung, indem wir als Lehrspital beim Studentenunterricht die Faszination unseres Fachgebietes vermitteln und auch einen Einblick in unsere Institution geben. Wenn wir das gut machen, werden einige der Studierenden später bei uns als Assistenzärztinnen und Assistenzärzte beginnen und diesen sollten wir dann eine möglichst gute Weiterbildung ermöglichen. Schliesslich möchten wir ja später auch einige von ihnen als Oberärztinnen und Oberärzte bei uns begrüssen. Für die Facharzt-Weiterbildung bietet die Klinik eine Menge Vorteile, die es zu nutzen gilt, wie beispielsweise das breite psychiatrische Spektrum und die vielen Behandlungsformen, sowohl in der Grundversorgung als auch bei unseren spezialisierten Angeboten. Hinzu kommt, dass die gesamte stationäre fachspezifische Weiterbildung an der Klinik Zugersee absolviert werden kann, einschliesslich 6 Monate Weiterbildung mit alterspsychiatrischen Patienten. Eine grosse Stärke ist auch, dass die ambulante Zeit ebenfalls innerhalb der Triaplus absolviert werden kann. So können wir eine gut koordinierte Karriereplanung bis zum Facharzt ermöglichen, was dann ein echter Attraktivitätsfaktor für die Triaplus ist. Mir persönlich ist es ein grosses Anliegen, die bestehende positive Lern- und Weiterbildungskultur zu fördern und auszubauen. Unsere neuen Aufgaben als Lehrspital bieten eine tolle Chance, diese Kultur stetig weiterzuentwickeln.
Jeder, der mit psychisch kranken Menschen zu tun hat, oder auch selbst psychisch krank wird, erlebt, dass psychische Erkrankungen stark verunsichern und belasten. Dies führt dazu, dass sich viele Betroffene und auch Angehörige Fragen zu ihrer Identität, dem Lebenssinn oder der Bedeutung ihres beängstigenden oder schmerzlichen Erlebens stellen. Dies sind existenzielle und spirituelle Themen: Was verankert mich im Leben? Was erfüllt mich mit Sinn? Was inspiriert mich? Solche Themen in die Behandlung zu integrieren kann wichtig für den Umgang mit einer psychischen Erkrankung sein. Sie können eine wichtige Ressource und eine Bewältigungsmöglichkeit darstellen. Sie können aber auch belasten. Vor ein paar Tagen berichtete eine religiöse Patientin auf der Visite, dass sie sich Vorwürfe mache, nicht genügend stark "geglaubt" zu haben, um den depressiven Rückfall verhindern zu können. Viele Patientinnen und Patienten sprechen religiöse oder spirituelle Themen aber nicht an, weil sie denken, das habe keinen Platz in der Behandlung, sei zu persönlich oder nicht medizinisch. Zugleich fühlen sich Fachleute oft unsicher, ob und wie sie mit den Patientinnen und Patienten über spirituelle Themen im Rahmen der Behandlung sprechen sollen. In der Klinik Zugersee wird der Einbezug von Spiritualität traditionell als eine interprofessionelle Aufgabe der Seelsorge, Medizin, Pflege, Psychologie und weiterer Therapien aufgefasst. Dies hat sicher auch mit der Geschichte der Klinik zu tun, deren Trägerschaft lange bei den Barmherzigen Brüdern von Maria-Hilf lang. Zugleich entspricht es der sehr fortschrittlichen Sichtweise einer modernen, interprofessionellen Spiritual Care, durch welche solche Aspekte bestmöglich in die Behandlung integriert werden können. Wenn die betroffenen Personen auf diese Weise in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, ist dies aus meiner Sicht ein wichtiger Beitrag, um der Komplexität psychischer Erkrankungen gerecht zu werden.
Chefarzt und Bereichsleiter Medizin Klinik Zugersee